
Gewaltfreien Kommunikation: Gefühle
In der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) wird davon ausgegangen, dass unsere Gefühle direkte Hinweise auf unsere unerfüllten oder erfüllten Bedürfnisse sind. Angenehme Gefühle wie Freude und Zufriedenheit deuten darauf hin, dass unsere Bedürfnisse erfüllt sind, während unangenehme Gefühle wie Frustration oder Traurigkeit darauf hinweisen, dass wichtige Bedürfnisse unerfüllt bleiben. Indem wir uns unserer Gefühle bewusst werden und sie klar benennen, können wir gezielt auf unsere Bedürfnisse eingehen und sie anderen gegenüber kommunizieren.
Marshall B. Rosenberg, der Begründer der GFK, betont, dass Gefühle keine Schwäche darstellen, sondern wertvolle Informationen über unsere Bedürfnisse liefern. Ein Gefühl wie Freude kann darauf hinweisen, dass ein Bedürfnis, etwa nach Anerkennung oder Verbindung, erfüllt ist. Ebenso kann ein Gefühl wie Traurigkeit signalisieren, dass ein Bedürfnis, vielleicht nach Zugehörigkeit oder Sicherheit, nicht erfüllt wurde.
Abgrenzung von Gefühlen und Gedanken
Ein häufiges Missverständnis in der Kommunikation besteht darin, Gefühle und Gedanken zu verwechseln. Es ist wichtig, diese Begriffe klar voneinander zu trennen, um Missverständnisse zu vermeiden und eine wirkungsvolle Kommunikation zu gewährleisten.
Was sind Gefühle?
Gefühle sind emotionale Zustände, die physische und psychische Reaktionen auf unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen darstellen. Sie sind spontan und unmittelbar und reichen von Freude über Angst bis hin zu Traurigkeit und Wut. Gefühle sind subjektiv und variieren je nach individueller Erfahrung und Kontext. In der GFK sind Gefühle Signale, die uns auf unsere Bedürfnisse aufmerksam machen.
Was sind Gedanken?
Gedanken hingegen sind mentale Prozesse, die auf dem Verstand und der kognitiven Verarbeitung beruhen. Sie beinhalten Urteile, Bewertungen, Interpretationen und Überzeugungen. Gedanken sind oft reflexiv und können von kulturellen, sozialen und persönlichen Überzeugungen beeinflusst sein. Während Gedanken helfen, Situationen zu analysieren und Entscheidungen zu treffen, sind sie nicht dasselbe wie Gefühle.
Die Bedeutung der Unterscheidung
Die klare Unterscheidung zwischen Gefühlen und Gedanken ist in der GFK entscheidend. Wenn wir beispielsweise sagen "Ich fühle, dass du mich ignorierst", drücken wir eigentlich einen Gedanken, eine Interpretation der Situation, aus, nicht ein Gefühl. Ein klareres Ausdrucksbeispiel wäre: "Ich fühle mich traurig, weil ich das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit habe und denke, dass du mich ignorierst."
Durch diese differenzierte Ausdrucksweise können wir Missverständnisse vermeiden und eine klarere, ehrlichere Kommunikation fördern. Wir schaffen Raum für gegenseitiges Verständnis und ermöglichen es, auf die wahren Bedürfnisse einzugehen, die hinter den Gefühlen und Gedanken stehen.
Übungen zu Gefühlen
Übungen zu Gefühlen in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) sind äußerst hilfreich, da sie das Bewusstsein und Verständnis für die eigenen und die Gefühle anderer Menschen stärken. Solche Übungen fördern die Empathie und ermöglichen es, Konflikte auf konstruktive Weise zu lösen, indem sie die zugrunde liegenden Bedürfnisse sichtbar machen. Außerdem erweitert das Üben von Gefühlsvokabular die Ausdrucksfähigkeit, was zu klarerer und respektvollerer Kommunikation führt. Insgesamt tragen diese Übungen zu einer friedlicheren und harmonischeren zwischenmenschlichen Interaktion bei.
Übung 1: Gefühlswortschatz erweitern
Ziel:
Erweitere deinen Wortschatz im Bereich der Gefühle, um deine Emotionen präziser auszudrücken.
Durchführung:
Schreibe eine Liste mit so vielen Gefühlswörtern wie möglich. Unterteile die Liste in angenehme und unangenehme Gefühle. Versuche, mindestens 20 Wörter in jeder Kategorie zu finden.
Ergründe im Anschluss die Bedeutung der einzelnen Wörter und wann du diese Gefühle erlebt hast.
Übung 2: Gefühle erkennen und benennen
Ziel:
Entwickle die Fähigkeit, deine eigenen Gefühle und die Gefühle anderer zu erkennen und zu benennen.
Durchführung:
Nimm dir täglich fünf Minuten Zeit, um innezuhalten und dich zu fragen, wie du dich fühlst. Schreibe deine Gefühle in ein Tagebuch. Schreibe auch auf, welche Gefühle du im Laufe des Tages erlebt hast und in welchen Situationen diese Gefühle aufgetreten sind. Versuch dabei, möglichst spezifisch zu sein und verschiedene Nuancen deiner Gefühle zu erkennen. Notiere auch, welche Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen stehen könnten.
Beispiel:
- Gefühl: Frustration
- Situation/Beobachtung: Mein Kollege hat eine Aufgabe nicht rechtzeitig erledigt, was
meine Arbeit verzögert hat.
- Bedürfnis: Effizienz und Zusammenarbeit
Übe auch, die Gefühle deiner Mitmenschen zu erkennen, indem du auf ihre Körpersprache und ihre Sprechweise achtest. Benenne die Gefühle im Gespräch respektvoll, z. B. "Ich habe den Eindruck, dass du gerade frustriert bist. Stimmt das?".
Übung 3: Empathisches Zuhören
Ziel:
Verbessere deine Fähigkeit anderen empathisch zuzuhören und ihre Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen.
Durchführung:
Eine Person spricht für fünf Minuten über ein Thema, das sie emotional bewegt. Die andere Person hört aktiv zu, ohne zu unterbrechen, und versucht, die Gefühle und Bedürfnisse des Sprechers zu erkennen. Nach den fünf Minuten fasst der Zuhörer zusammen, was er verstanden hat, und benennt die vermuteten Gefühle und Bedürfnisse des Sprechers. Anschließend wechselt ihr die Rollen.